Sommelier_e, wer bist Du?

Die Frage, was man beruflich macht, mit „Ich bin Sommelier“ zu beantworten, führt immer wieder zu den unterschiedlichsten Reaktionen.
Viele können dieses Berufsbild nicht eindeutig einordnen, weshalb auf die folgende Nachfrage, was das denn bitte sei und auf die damit verbundene Erklärung gelegentlich ein recht eindeutiges „Ich trinke lieber Bier“ kommt.

Oftmals aber auch entspannen sich interessante Dialoge, in denen man mit vielen Klischees konfrontiert wird, die heute wohl eher anachronistisch zum werten sind.
Die klassische Sichtweise, dass es sich bei diesem Beruf nur um eine Art Weinkellner handelt, wird diesem spannenden Berufsfeld nicht gerecht.

Vielmehr sind moderne Sommelièren und Sommeliers vor allem in der gehobenen Gastronomie für den Weineinkauf, Verkostungen, Lagerhaltung, Logistik und Organisation des Weinkellers zuständig.
Der eigentliche Service am Gast nimmt hierbei zwar einen zentralen aber dennoch nicht den einzigen Platz ein.
Hierbei gilt es vor allem dem Gast nicht den eigenen Geschmack aufzudrängen, sondern sich vielmehr an den Wünschen und Vorstellungen des Gastes zu orientieren und in Kombination mit dem eigenen Wissen eine passende Weinbegleitung anbieten zu können. Die Faustregel, dass man zu kräftigem Fleisch meist einen schweren Roten und zu einem leichten Gericht eher zum Weißwein greift, ist gesellschaftlich zwar weit verbreitet aber letztlich oftmals zu einfach. Ein falsch gewählter Wein kann jedes noch so gute Menü zu einem faden Beigeschmack seiner selbst werden lassen, weshalb es alles andere als verwerflich ist, in solchen Situationen nach einer Empfehlung zu fragen, als vorschnell den zweitteuersten Wein auf der Karte zu bestellen und wissentlich seinen Tischpartnern zuzunicken.

Berliner Zeitung s.49

Berliner Zeitung 17.09.2022, Bild links aut. Alena Rath (Sommeliere ESS), foto rechts Maria Lucrezia Schiavarelli (www.pastamadre.de)

Doch nicht nur in der Gastronomie wird zunehmend auf das Fachwissen ausgebildeter Sommelièren und Sommeliers zurückgegriffen.
Vor allem im Weinfach- und Großhandel werden sie zunehmend als professionelle Fachkräfte eingesetzt. Das angeeignete Wissen über Anbaugebiete, Rebsorten und der Weinproduktion ist mittlerweile für den Fachhandel unerlässlich. Ebenfalls werden Sommelièren und Sommeliers sehr gerne bei öffentlichen Verkostungen und professionellen Weinproben als Expert:innen herangezogen, deren Meinungen für Produzenten und Kunden eine hohe Gewichtung haben. Durch die zunehmende Digitalisierung sind mittlerweile auch in den sozialen Netzwerken viele selbstständige Wineblogger oder Foodblogger anzutreffen, die über eine qualifizierte Sommeliersausbildung verfügen und die Vielfältigkeit dieses Berufsfeldes unterstreichen.
Die Europäische Sommelier Schule in Berlin hat sich in diesem Sinne zum Ziel gesetzt, moderne und innovative Sommelièren und Sommeliers auszubilden.

Nils Blank
(Sommelier und Dozent der ESS)